Im ersten Teil haben wir erfahren, dass manche Menschen mit Ablehnung, Ängsten und anderen unangenehmen Gefühlen in Berührung kommen, wenn sie einen neuen potenziellen Partner kennenlernen – und das, obwohl dieser neue Mensch sie sehr gut behandelt und genau die Eigenschaften verkörpert, die sie sich immer gewünscht haben. Wir haben feststellen können, dass der Grund für diese unerwartete Reaktion dadurch erklärt werden kann, dass der neue Partner Aspekte in uns berührt, die in früheren Beziehungen unberührt geblieben sind. In diesem zweiten Teil wollen wir uns damit beschäftigen, wie wir diese unbewussten Aspekte, die wir auch als Schattenanteile bezeichnen, in uns heilen können.

Um diese Schattenanteile zu heilen und sie in unsere Ganzheit zurückzuführen, müssen wir zunächst einmal verstehen, dass hier verschiedene Gefühlsschichten aktiv werden. Denn zusätzlich zu den hormonellen Stressreaktionen des Körpers in der noch unsicheren Anfangszeit einer Beziehung tauchen nun auch unsere unbewussten Anteile auf: erst unbewusste Angst, die unser Energiesystem, aber auch unseren Körper sofort in Spannung und Alarmbereitschaft versetzt. Bruchteile einer Sekunde später ist unbewusste Wut aktiv, die uns in sichere Bereiche zurückführt und den anderen auf Distanz schiebt oder uns selbst wie hinter eine Mauer versetzt. Und darunter liegt unbewusste Trauer. Diese zuzulassen und sich von ihr berühren zu lassen, darin besteht die Kunst. Genau das, die Trauer zuzulassen und sich von ihr berühren zu lassen, ist der Weg, diese chaotische Gefühlswelt in uns wieder zu ordnen und uns unvoreingenommen auf unseren neuen Partner und die neue Beziehung einzulassen. Denn die unbewusste Trauer ist das verborgene Gefühl, das der Partner unwissentlich aufgrund seiner Nahbarkeit berührt. Da die Trauer sonst vorher noch nicht berührt worden ist, wird in uns ein Schutzmechanismus in Gang gesetzt.

Konkret bedeutet das, dass vorgeschaltete Wut und Angst wie auf Knopfdruck aktiviert werden, um den Kern – die unbewusste Trauer – nicht fühlen zu müssen. Im Grunde haben wir in vorhergehenden Beziehungen die Grenze von Wut und Angst bisher noch nicht überschritten und unsere bisherigen Beziehungen innerhalb dieser Grenzen geführt.

Erlaube dir in einer solchen Situation, all die Prozesse bis hin zum Kern der Trauer in dir geschehen zu lassen. Und zwar wertfrei. Bleibe in der Beobachterperspektive und schaue dir an, was alles in dir passiert. Wenn du eine vertrauensvolle Beziehung anstrebst, dann teile deine inneren Prozesse mit deinem neuen Partner. Erzähle ihm, dass eure Begegnung in dir komische und seltsame Prozesse auslöst, obwohl er dir das gibt, was du dir in einer Beziehung wünschst. Hier kannst du dann auch für dich endgültig überprüfen und Zweifel aus dem Weg räumen, ob dieser Partner wirklich nahbar ist und dir Raum für deine Prozesse gibt oder doch noch abspringt und eine für sich scheinbar unkompliziertere Beziehung sucht.

Am besten ist es, wenn du die Angst in dir, also diesen Knopfdruck, der so plötzlich ausgelöst wird, zu spüren beginnst. Das ist, zugegeben, am Anfang etwas schwierig. Denn die damit sofort mitausgelöste Wut, die dich im Bruchteil einer Sekunde in deinen sicheren, distanzierten Raum zurückführt, ist leichter wahrzunehmen. Spätestens bei der einsetzenden Wut wird der widersprüchliche Mechanismus, Nähe zu suchen und Distanz zu erzeugen, für dich offensichtlich. Finde jedoch Zugang zu dem Knopfdruck vor der einsetzenden Wut – zu deiner Angst. Dies ist der erste Schritt, der in dein Bewusstsein treten muss. Wenn all dies immer klarer wird, dann versuche in Zukunft in solchen Momenten innezuhalten und nichts zu tun. Erlaube, dass dein Partner dir nahe kommen darf, ohne ihn abzuwehren; erlaube, dass er dich berührt, ohne zu verhärten, weder auf der körperlichen noch auf der Gefühlsebene.

Sind wir in solch einer Verbundenheit mit uns selbst angekommen, können dann einfach so und wie aus dem Nichts Tränen abfließen, die für sehr alte angestaute Trauer stehen. An dem Punkt angekommen, heilt unser neuer Partner dann Themen in uns, die wir vorher gar nicht kannten und das ohne, dass es dafür eines gesprochenen Wortes bedarf. Es sind diese unbewussten Themen, die uns bisher an unserer Wunschbeziehung vorbeigeführt haben und die uns stattdessen in ganz andere Beziehungsmuster führten.

In der Mehrheit der Gesellschaft ist das Beziehungsmuster gestört. Und das beginnt in solch nahbaren Beziehungen wieder zu heilen. Denn bei diesem Prozess kommen Beziehungsmuster in Bewegung, die sehr alt sind. Sie haben in unseren ersten Lebenswochen und -monaten stattgefunden und benötigen dringend Heilung: Waren unsere Eltern vielleicht der Überzeugung, uns als Kind schreien zu lassen, damit wir den Umgang mit der Wut lernen oder lernen, uns selbst zu beruhigen? Mussten sie arbeiten und anderen alltäglichen Dingen nachgehen, anstelle für uns da zu sein? Waren sie von der Intensität der Zeit überfordert und haben sich vor uns zurückgezogen? Hatten sie genug Kraft für all die Herausforderungen, die in unseren ersten Lebenswochen und -monaten auf sie zukamen? Haben wir Muttermilch bekommen oder wurden wir mit einem Fläschen gefüttert? Wurden wir getröstet oder gab es einen Schnuller? Die Liste ließe sich endlos erweitern. In unseren ersten Lebenswochen und -monaten sind für uns an vielen Stellen schwere Beziehungsbruchstellen entstanden, die unser heutiges Beziehungsmuster stark prägen. Diese können erst in einer geborgenen und nahbaren Beziehung Heilung finden, weil sie erst hier wieder berührt werden. Früher ist das nicht möglich.

Um deine Wut und deine Angst zu überwinden, damit du deiner Trauer näher kommen kannst, gibt es ein hilfreiches Werkzeug: Deine Wut und deine Angst wollen Distanz zu deinem Partner erzeugen, weil er unbewusst irgendetwas berührt hat, das bislang unberührt geblieben war. Dein energetisches System ist also ordentlich in Wallung geraten. Anstelle deinem Partner die Wut reflexartig an den Kopf zu werfen, kann es helfen, ihm genau das in einem Brief oder einer E-Mail zu schreiben. Schreibe alles auf, was du ihm in dem Moment, in dem alles in dir kämpft, sagen willst. Und dann schicke diese Nachricht NICHT ab. Lege sie beiseite, beobachte weiter deine Gefühle. Nach drei bis fünf Tagen nimmst du diese Nachricht wieder hervor. Lies sie noch einmal in Ruhe durch. Überprüfe für dich, ob du immer noch mit allen Punkten genauso übereinstimmst, wie du sie vor drei Tagen aufgeschrieben hast. Danach lege die Nachricht wieder beiseite und hole sie nach einer weiteren Woche wieder hervor. Lies sie erneut und beobachte, dass in der Zwischenzeit in dir Prozesse stattgefunden haben, und du nun gar nicht mehr mit deiner Nachricht im Einklang bist. Heilungsprozesse haben stattgefunden.

Unsere Wut ist oft nur ein Reflex, ausgelöst durch die unbewusste Angst. Sie dient nur dazu, uns da zu halten, wo wir bisher waren und immer noch sind. Es entspricht nicht unserem wahren Inneren. Solch ein Prozess kann dir helfen, nicht mehr nur deinen Reflexen entsprechend zu handeln, sondern er hilft dir, dich auch in schwer aushaltbaren Momenten zu beobachten. Denn die Wut dient nicht nur dazu, uns in unsere sichere Distanz zurückzubewegen, sondern auch, um die schwer aushaltbaren Gefühle schnell zu unserem Partner herüberzuschaufeln, damit wir sie los sind. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Wir werden sie nicht los. Sie kommen immer intensiver wieder, gehen wir die Sache nicht anders an. Zum Beispiel mit dem Brief an deinen Partner, den du nicht abschickst, aber selbst in größeren Abständen immer wieder liest.

Jeder sollte Beziehungen führen können, in denen Nähe, Vertrauen und Verbundenheit selbstverständlich sind, ohne dass ständig ein Kampf stattfinden muss. Da oft beide Partner solche tiefen Risse in ihrem Beziehungsmuster haben, müssen auch beide sehr verantwortungsvoll mit ihrem Innenleben umgehen, damit keine Streitmuster etabliert werden. Der Anfang besteht wie bei eigentlich allen inneren und äußeren Problemen darin, dass ein jeder den Blick in sein Inneres richtet und sich damit auseinandersetzt.

-Eure Diana Hellers-

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Angst vor Nähe – Teil 2, Diana Hellers